Exposition
Ich muss feststellen, dass ich – neben meinen vielen anderen Begabungen und meinem makellosen Aussehen – über ein ausgesprochenes Talent verfüge, was das Einrichten betrifft. Bei uns sieht es nicht nur aus wie im Katalog, wir leben auch so. Bücher kaufe ich nur, wenn sie ins Farbkonzept passen oder von irgendeinem Designer sind – Coffee Table-tauglich halt. Dekorationen am liebsten sparsam, der Eames muss schließlich wirken. Auf Tisch und Regal kommt, was optisch und im besten Fall tatsächlich wertvoll ist, alles andere wird, nun ja, hier verkauft. Staub finde ich total überflüssig, deshalb gibt es bei uns keinen, genauso wenig wie Chaos, Schlamperei und Desorganisation. Wir wohnen schöner und jeder darf es wissen. Einen Moment, ich muss mal eben den Boden für die Walnusstorte mit weißer Schokoladencreme und Whiskykaramell aus dem Backofen holen...
Komplikation
Und mein Mann? Auch so ein Vorzeigeexemplar! Jede Woche gibt es Blumen, bei der Hausarbeit stellt er sich immer ganz vorne an und Ordnung ist neben Hemden bügeln seine große Leidenschaft. Abgestreifte Socken vor dem Sofa? Nicht bei uns! Meine Einrichtungsideen unterstützt er ausnahms-, man möchte fast sagen willenlos. Reichlich kostenintensive Designplastikstühle schrecken ihn ebenso wenig wie monatliche Renovierungsarbeiten: "Du hast recht, Schatz, Malve passt viel besser zu uns als Manhattangrau." Und wenn er mal nicht da ist, ja, dann schwinge ich halt alleine den Pinsel, säge, fräse und bohre. Selbst ist die Frau auch ohne Mann. Die neuen Fliesen im Bad...Ach, ihr wisst schon!
Peripetie
Wie wirklich hätten Sie es denn gerne? Diese Frage beschäftigt mich, seitdem ich einen Artikel gelesen habe, in dem es u.a. um den Wirklichkeitsanspruch von Lifestyleblogs geht. Mal abgesehen davon, dass naturgemäß jeder seine eigene Vorstellung von Realität hat und es dementsprechend müßig wäre, alle Wünsche zu erfüllen, sehe ich mich nicht als Botschafter des alltäglichen Wirklichkeitswahnsinns. Aber eben auch nicht als Multiplikator von ganzheitlicher Perfektion und nachhaltiger Optimierung.
Retardation
Ja, ich bekenne mich schuldig, ich bin ein Ästhetikfan. Ich schaue mir gerne schöne Dinge an und erfreue mich an der transportierten Wohlfühlatmosphäre. Trotzdem weiß ich, dass das wahre Leben manchmal weniger schön und meistens ganz anders aussieht. Aber von dieser Realität hat nun wirklich jeder selbst genug zu Hause. Ich brauche zum Beispiel bloß den Schrank des Hausherrn zu öffnen und zu sehen, dass in der Sockenschublade wieder ganz wichtige Unterlagen geparkt werden, die er auf keinen Fall vergessen darf. Oder ich gehe in den Keller. Ach nein, halt! Die Tür geht nicht auf, weil wir schon zum dritten Mal den Sperrmülltermin verpasst haben und weil es so einige Dinge gibt, die man irgendwann irgendwie noch einmal gebrauchen kann.
Ich sehe Blogs als Inspirationsquelle und da bleibt die Wirklichkeit manchmal besser außen vor. Na und? Nur weil etwas nicht zu sehen ist, heißt das nicht, dass es nicht existiert. Wer das nicht kapiert hat, der ist wirklich zu beneiden.
Und nächstes Mal gibt es dann die Katastrophe, also haltet euch lieber schon mal fest!